Das Knie

Das Kniegelenk ist das größte Scharniergelenk in unserem Körper, genauer noch ein Dreh-Scharniergelenk. Diese Eigenschaft macht das Knie relativ anfällig für bestimmte Verletzungen.

Aufgrund der Verbindung von Ober- und Unterschenkel durch Kapsel, Bänder und Muskeln und die extreme Verwobenheit dieser Strukturen ineinander, ist es meist der Fall, dass selten eine bzw. einzelne Strukturen verletzt werden, sondern fast immer mehrere.

Das klassische Beispiel sind wohl Meniskusverletzungen und da vor allem wieder der Innen-meniskus, da dieser mit dem Innenband, der Gelenkkapsel und einem Muskel- bzw. Sehnenanteil verwachsen ist. Das heißt, wenn sich jemand durch einen Fußball- oder Skiunfall oder durch andere „Verdrehungen“ an der Innenseite des Knies verletzt, sind oftmals, aufgrund dieser Verbindungen, mehrere Strukturen betroffen. Für den Arzt, und v. a. für uns Physiotherapeuten, ist es dann entscheidend, die hauptsächlich verletzte Struktur „rauszuklamüsern“ und sie adäquat zu behandeln. Dies ist nicht immer so offensichtlich, so dass trotz guter anatomischer Kenntnisse und der entsprechenden Erfahrung es dauern kann, bis sich ein therapeutischer Erfolg einstellt.

Der Außenmeniskus ist wesentlich seltener betroffen, da er kleiner ist, nicht ganz so stark belastetet wird wie der Innenmeniskus und mit weniger Strukturen verbunden ist.

Die Bänder des Knies sind, neben der Muskulatur, die Hauptstabilisatoren. Das heißt, sie sorgen dafür, dass ich normalerweise ohne Probleme, d. h. ohne „aus der Spur zu kommen“, beugen und strecken kann.

Das Außenband ist relativ kurz, bleistiftdick und verhindert, dass man das Knie zu weit nach außen dreht. Es ist selbst eher selten betroffen, aber oft gereizt bei anderen Verletzungen.

Das Innenband ist sehr lang, wie oben erwähnt mit dem Innenmeniskus verwachsen, bremst ebenfalls ein zu weites Nachaußendrehen des Knies und kann diffuse „Ausstrahlungen“ machen. In letzter Zeit hat es sich durchgesetzt, dass ein gerissenes Innenband nicht unbedingt operiert werden muss, da die Heilungschancen bei nichtoperierten Innenbändern genauso hoch sind wie bei operierten (natürlich abzuwägen je nach Schwere, Alter, Sport, Beruf usw.).

Die „Königsbänder“ am Knie sind ohne Zweifel die Kreuzbänder, und da wiederum v. a. das vordere Kreuzband. Sie haben ihren Namen daher, da sie sich von der Seite, wie von vorne oder hinten betrachtet, „überkreuzen“. Legt man den linken Mittelfinger über den linken Zeigefinger (wie beim „Schwurbruch“) und legt man dann die linke Hand auf das linke Knie, so hat man den

Verlauf der beiden Kreuzbänder: Der Mittelfinger ist das vordere, der Zeigefinger das hintere Kreuzband. So kann man sich vielleicht in etwa plastisch vorstellen, wie sie sich überkreuzen!Diese geniale Konstruktion erlaubt die bekannte Beweglichkeit des Knies: Man kann es beugen und strecken und, wenn man es ca. 90° abwinkelt, kann man sogar den Unterschenkel nach innen und außen drehen. Dieser Aufbau bringt eine sehr starke Stabilität in das Knie, die, verbunden mit der Muskulatur, die wichtigste Aufgabe der Kreuzbänder ist.

Die Muskulatur: Der Hauptmuskel am Oberschenkel befindet sich auf der Vorderseite. Es ist der sog. „Quadriceps“. Der Name ist Programm, d. h. er besteht aus 4 Muskelteilen, die alle in einerSehne über der Kniescheibe (Patella) zusammenkommen und die weiterläuft als Band und kurz unterhalb der Kniescheibe angewachsen ist. Dieser eine Muskel ist in der Regel doppelt so stark wie alle Muskeln auf der Oberschenkelrückseite (Kniebeugemuskeln), jedoch ohne diese auch nur die Hälfte wert.

Damit will ich sagen, dass es beim Kniegelenk unheimlich auf eine ausgeglichene Muskulatur ankommt, um reibungslos bewegen zu können. Gerade bzw. fast ausschließlich die Muskulatursorgt bei Bewegung für die nötige Stabilität bzw. Kontrolle des Knies. Es geht nicht darum einen massigen Muskel zu haben mit viel Volumen, sondern einen „intelligenten“, d. h. der Muskel muss/sollte so trainiert sein, dass in jedem Augenblick bzw. jeglicher Stellung das Knie optimalstabilisiert werden kann.

Es geht speziell beim Knie-Muskeltraining nicht nur um Kraft und Ausdauer, sondern eher noch um Koordination mit Gleichgewicht. Nicht umsonst wurden, insbesondere beim Kniegelenk, Studien gemacht, die belegt haben, dass zuviel passive Unterstützung, sprich Schienenversorgung, Bandagen, Gipse usw., eher schlecht ist und die nötige Kontrolle und Koordinationder Muskulatur verhindert.

Auch bei Kreuzbandrissen geht die Tendenz dahin, nicht mehr alles und jeden sofort zu operieren. Über Muskelkrafttraining versucht man das möglichste rauszuholen, um das Gelenk so zu stabilisieren, dass es für den Betroffenen in Sport, Beruf und Alltag den entsprechenden Belastungen standhält.Ist für den Betroffenen die Instabilität zu groß bzw. die Angst zu stark bei geringsten Reaktionen Schmerzen oder Beschwerden zu haben, muss über eine Operation nachgedacht werden.

Neben Bändern und Muskeln, die wie gesagt stark miteinander und auch mit der Gelenkkapsel verwachsen sind, gibt es auch noch „Schleimbeutel“, und nicht gerade wenig. Bis zu über 30 dieser „Bursen“ kommen im Knie vor. Überall da, wo Sehne auf Sehne, Sehne auf Muskel, Muskel auf Knochen, Band auf Knochen oder Band auf Band liegt, ist ein Schleimbeutel dazwischen, um die Reibungen, die entstehen, abzudämpfen. Jemand hat mal gesagt: „Das Knie ist ein Schleimbeutel!“, und wenn man sich vergegenwärtigt, wie so ein Knie im Bedarfsfall anschwellen kann, kennt man die Bedeutung dieses Spruchs.

Übrigens: Man muss nicht immer mit Eis kühlen, Quark ist oft viel besser!

Schleimbeutel können einreißen, dann erfüllen sie ihre Funktion nicht mehr, d. h. sie „puffern“ nicht mehr und es entstehen Schmerzen. Eine Operation ist dann wohl unumgänglich. Bei solchen Problemen können wir physiotherapeutisch genauso wenig bezwecken wie bei einfachen Reizungen von Schleimbeuteln durch Überlastung. Wird die Belastung wieder weniger, klingt auch die Entzündung des Schleimbeutels ab. Ist diese allerdings chronisch, kommt es schon bei geringsten Mehrbelastungen zu Schmerzzuständen und eine Operation erscheint erneut von Nöten.

Auch die Knochen können Beschwerden am Knie hervorrufen, v. a. die „Patella“, die Kniescheibe. Der Oberschenkelknochen am Knie macht selten Probleme. Vom Unterschenkel kennt man das sog. „Wadenbeinköpfchen“, das mit dem Schienbein über Bänder verbunden ist und den Unterschenkel bildet. Das Schienbein ist meistens am Ansatz der Quadricepssehne betroffen, da hier die meisten Kräfte wirken. Es gibt oft Reizzustände, wo nur genau diese Stelle schmerzhaft ist und das Knien fast unmöglich macht.

Am häufigsten jedoch ist die Kniescheibe betroffen, da sie bei jeder Beuge- und Streckbewegung auf dem Oberschenkel nach oben und unten bewegt wird. Hierbei muss sie auch ein bisschen nach innen und außen bewegen können, d. h. die „Grenzen müssen offen sein“!

Ist dies nicht der Fall, z. B. durch Narben von alten Operationen, durch verklebte Bänder, Sehnen, Muskeln, durch verkürzte Muskulatur oder durch Ablagerungen an bzw. v. a. hinter der Kniescheibe, kann es erneut zu Reizzuständen kommen, die anfänglich fast nicht wahrgenommen werden. Erst im Laufe der Jahre hört man es Knirschen und Krachen hinter der Kniescheibe und danach folgt erst der Schmerz, doch dann ist es oft schon zu spät. Ein oft gehörter bzw. gesagter Satz ist folgender: „Warum sind Sie nicht schon früher gekommen?“, ja weil es keine Schmerzen bereitet hat bzw. so selten, dass man es verdrängt hat.

Hier kann physiotherapeutisch, genau wie bei Bändern und Muskeln, doch einiges getan werden, v. a., wenn es um den Knorpel der Kniescheibenrückseite geht. Man versucht die Durchblutung und den Stoffwechsel anzuregen, damit Abfallprodukte so schnell wie möglich beseitigt werden und der Knorpel sich über sauerstoffreiches Blut wieder regenerieren kann. Es wird versucht die Kniescheibe durch gezielte Übungen zu entlasten, um möglichst wenig Druck auf die Kniescheibe zu bekommen. Der Patient muß lernen, seinen Alltag so einzurichten, dass jedwede Spitzenbelastung vermieden wird.

Dieses zu erlernen ist nicht leicht, doch möglich unter physiotherapeutischer Anleitung. Genauso wie es möglich ist, seinen Rücken durch Haltungsschule bzw. rückengerechte Alltagsbewegungen zu entlasten. Kompromisse müssen immer gemacht werden, doch nur derjenige, der weiß wie’s geht, kann auch Kompromisse machen.

Noch ein letztes Wort zur allgemeinen Statik. Man kennt O-Beine, z. B. viele Fußballer haben solche, und X-Beine, v. a. die Damenwelt ist davon betroffen, besonders auffällig in der Pubertät. Bei O-Beinen ist hauptsächlich die Innenseite des Knies stark belastet durch den starken Druck der Knochen auf den Meniskus. Dies kann zu Schäden führen, die erst im fortgeschrittenen Alter auftreten. Die relative Überdehnung des Außenbandes führt selten zu akuten oder späteren Problemen.

X-Beine provozieren genau das Gegenteil: Der Druck geht eher auf den Außenmeniskus und kann hier zu Problemen führen, aber in geringerem Maße als innen. Etwas mehr Schwierigkeiten bereitet die Überdehnung des Innenbandes bei X-Beinen. Das Band muss permanent diesem Zug standhalten und fängt irgendwann an zu schmerzen.

Beide Fehlstellungen des Knies lassen sich, bei frühzeitigem Erkennen, durch Übungen muskulärer Art verbessern und evtl. so stabilisieren, dass Folgeschäden unter Umständen ganz ausbleiben. Funktioniert das Muskelaufbautraining nicht bzw. ist die Fehlstellung in höherem Alter erst aufgetreten, so muss operiert werden, um weitere Schäden am Bein und am gesamten Körper zu vermeiden.

Schmerzen am Knie können auch durch Beinlängenverkürzungen auftreten. Es kommt immer wieder vor, dass ein Bein etwas länger als das andere gewachsen ist. Auch hier stimmt die Statik nicht mehr und es kann zu verschiedenen Problemen kommen. Bitte lesen Sie hierzu auch das Infoblatt „Wirbeltherapie nach Dorn“. Die Rückseite beschäftigt sich mit Beinlängenverkürzungen durch Beckenschiefstände.

Man wird immer zuerst versuchen durch physiotherapeutische Anwendungen die Schwierigkeiten zu bekämpfen, was in den meisten Fällen zu sehr befriedigenden Ergebnissen führt.

Bei mehr Interesse rund um’s Knie fragen Sie uns einfach!

Ihr Godehard Stoll, Physiotherapeut und osteopatisch arbeitender Therapeut

Hinweis:Der folgende Text wurde von Godehard Stoll nach aktuellen Erkenntnissen der Medizin und Anatomie verfasst. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. Fehlerfreiheit.

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